Reisen & Recherchen

Islandfahrt
Thor
 

Als wir vor zwei Jahren im Nationalmuseum von Reykjavik standen und sich eine schon halb vergessene Idee neu meldete, war uns klar, dass wir noch einmal, und zwar für länger nach Island zurückkommen mussten. Im Vorfeld kam es zu der Diskussion, ob wir jetzt fliegen und uns ein Mietauto nehmen, oder die lange Anreise mit unserem Beerchen wagen sollten. Den Ausschlag gab schließlich die Gepäckfrage. Selbst mit Übergepäckregelung hätten wir nicht alles mit hin und vor allem zurücknehmen können. Der Preis dafür war eine längere An- und Rückfahrt und die Benutzung der Fähre, die von Hirtshals in Dänemark nach Seydisfördur auf Island fuhr.

Nach einem Jahr Vorbereitung und entsprechender Planung war es am 12.06.2016 so weit. Das Beerchen war voll beladen und wir brachen erwartungsfroh nach Norden auf. Um uns nicht gleich zu Beginn zu sehr zu erschöpfen, beschlossen wir, die Anfahrt nach Hirtshals auf zwei Etappen aufzuteilen. So ging es zuerst nach Hamburg, das wir gut erreichten. Allerdings gingen uns auch dort verschiedene Ideen durch den Kopf und forderten, dass wir unbedingt in absehbarer Zeit dort recherchieren müssten. Für uns ging es am nächsten Morgen erst einmal weiter bis nach Skagen, wo wir das zweite Mal übernachteten, um am nächsten Tag rechtzeitig bei der Fähre zu sein.

Es wollten verdammt viele Leute nach Island. Der Parkplatz in Hirtshals war gesteckt voll und es kamen immer noch weitere Autos und Wohnmobile. Wir kamen jedoch gut an Bord und dann ging es los. Die Fähre brauchte zwei Tage bis Island und legte unterwegs auf den Färöer an. Zwar hatten wir die See und den Anblick des Hafens und der Inseln bereits erlebt, doch war es interessant, sie noch einmal zu sehen.

Aufgrund des starken Ansturms standen die Autos und Wohnmobile auf der Fähre so eng, dass es für die meisten Passagiere unmöglich war, zu ihnen zu gelangen, bevor die Autos davor losgefahren waren. Es wurde quasi ein Le Mans-Start. Die Leute stürzten auf ihre frei werdenden Autos, warfen das Gepäck hinein und schwangen sich in die Sitze, um noch in der Bewegung zu starten und loszufahren. Auch wir mussten uns beeilen, hatten aber das Glück, dass sich unser Beerchen leicht beladen ließ und wir auch leichter von der Fahrerseite aus einsteigen konnten als in einen normalen PKW.

Minuten später waren wir auf Island. Wir hatten uns auf eine Tour rund um die Insel vorbereitet und wollten dabei in vier Städten übernachten, um von dort aus wir unsere Erkundungsfahrten zu machen. Auf unserer Liste standen ein knappes Dutzend Museen sowie eine ganze Reihe von besonderen Orten, die für uns wichtig waren. Zunächst aber galt es erst einmal, sich zurechtzufinden. Da wir für den Ostteil der Insel, an dem wir angelandet waren, einen Aufenthalt am Ende unserer Rundfahrt eingeplant hatten, ging es erst einmal in den Norden Islands. Das erwies sich für uns als Vorteil, da die meisten unserer Mitreisenden sich entschlossen, nach Süden in Richtung Reykjavik zu fahren, so dass wir auf unserer Strecke kaum mit anderen Autos oder Wohlmobilen konfrontiert wurden.

Unser erstes Etappenziel war Akureyri. Auf dem Weg dorthin gab es bereits mehrere Stellen, die wir uns ansehen wollten. Hier machten wir auch die ersten Erfahrungen mit den berüchtigten isländischen Waschbrettpisten, sprich Schotterstraßen. Wenigstens trafen wir dabei nicht nur auf unser ins Auge gefasstes Ziel, sondern auch auf ein Café, in dem es Tee und ausgezeichnete Sandwiches gab.

Von Akureyri aus unternahmen wir in den nächsten zwei Tagen lange Fahrten. An einigen Orten trafen wir auf Dutzende Touristen, an anderen waren wir völlig allein. Ein paar Stellen hatten wir bereits vor zwei Jahren kurz gesehen, nun aber nutzten wir die Gelegenheit, sie genauer zu untersuchen. Wir schritten zwischen bizarren Lavaformationen hindurch, die bereits vor mehr als tausend Jahren die Fantasie der Menschen beflügelt hatte. An anderen Stellen stolperten wir über bröckelige Lavafelder oder festen Basalt, sahen kochenden Schlamm und rochen den Schwefelgestank der Solfatarenfelder. Natürlich suchten wir auch einige Wasserfälle auf und schauten uns erste Museen an.

Ein versteinerter Troll
 

Als wir die nächste Etappe in Angriff nahmen, hatten wir bereits etliches an Informationsmaterial besorgt und erste Überlegungen notiert. Jetzt ging es nach Reykjavik, und auch auf dieser Strecke gab es immer wieder Haltepunkte, an denen wir unser Beerchen parkten, uns umsahen oder Museen besuchten. Jetzt zeigte sich der Vorteil der Anreise mit dem eigenen Auto, denn die Zahl der Bücher, die wir kauften, wuchs mit fast jedem Aufenthalt.

Zu sagen ist, dass unser eingebautes Navigationssystem die Insel Island als nicht existent betrachtet und wir wieder nach alter Sitte mit Karten fuhren. Für Reykjavik besaßen wir sogar einen Stadtplan.

Hatten wir von Akureyri aus über 350 Kilometer am Tag auf unseren Fahrten zurückgelegt, so wurden es von Reykjavik aus fast noch mehr. Thingvellier, die Geysire und einige andere, von Touristen heimgesuchten haben wir ebenso aufgesucht wie Stellen, an denen man nur wenige Menschen traf. Zu sagen ist auch, dass wir Glück mit dem Wetter hatten. Wir kamen nur einmal am ersten Tag bei einer Besichtigung in einen Regenguss. An ein paar weiteren Tagen regnete es zwar immer wieder, doch immer nur dann, wenn wir im Auto saßen und zum nächsten Punkt auf unserer Liste weiterfuhren. Wenn wir dann angekommen waren und ausstiegen, war es trocken bis zu dem Augenblick, in dem wir wieder im Auto saßen.

Reykjavik war auch der Ort mit den meisten Museen auf unserer Liste. Daher blieb unser Beerchen einen Tag auf seinem Parkplatz stehen, während wir Museen in der Stadt besuchten. Dabei fielen uns weitere Bücher in Deutsch oder Englisch in die Hände, die wir gut brauchen konnten. Vorsichtshalber suchten wir auch einige Buchhandlungen auf und wurden dort ebenfalls fündig.

An der Stelle sollte man erwähnen, dass wir zur Zeit der Fußball-Europameisterschaft in Island waren. Als wir gebucht hatten, hatten wir keine Ahnung, dass sie zu dem Termin stattfinden würde, noch, dass auch Island daran teilnehmen würde. Die Begeisterung war an den meisten Orten mit Händen zu greifen. Nicht nur junge Leute liefen im Island-T-Shirt herum, sondern auch ältere Semester. Als wir während des Spieles Island gegen Österreich in unser Hotel zurückkehrten, war die Rezeption ratzeputz leer. Auf unser Läuten hin schoss eine der jungen Damen heran, schob uns blitzschnell den Zimmerschlüssel zu, und war im nächsten Augenblick wieder verschwunden. Bei Abendessen fragte uns dann ein Isländer, der deutsch verstand, ob wir Österreicher wären, was Elmar verneinte.

Einige Tage später – wir hatten unterdessen unseren letzten Aufenthaltsort auf Island erreicht – fand das Spiel Island gegen England statt. Wir saßen beim Abendessen und im Raum nebenan wurde das Spiel übertragen. Unsere beiden Kellnerinnen nutzen jede Sekunde, um zuzuschauen. Das Verteilen der Speisen und Getränke ging daher nicht gerade flott von sich. Auch waren sie nicht so recht bei der Sache, denn eine von ihnen stellte Elmar ein Bier hin, das zwei Tische weiter hingehörte, und war weg, bevor er ihr erklären konnte, dass es nicht das seine war. Ihre Kollegin merkte es dann ein paar Minuten später und brachte das Bier zum richtigen Platz. Der Mann, der es bestellt hatte, bekam davon nichts mit, denn auch er hatte sich vor den Fernseher gesetzt. Das Bier und sein Essen warteten derweil mutterseelenallein auf seine Wiederkehr. In der Halbzeitpause würgte der Mann seinen Braten rasch hinunter und entschwand dann mit seinem Bierglas in der Hand wieder im Fernsehraum.

Wir haben jetzt zwei weitere Etappen mit Hotelwechseln und etlichen Besichtigungen unterschlagen. Unser Weg führte uns um ganz Island herum, und von unseren jeweiligen Etappenorten so tief in die Wildnis, wie das Beerchen uns bringen konnte. Zum Glück mussten wir keine der sogenannten F-Straßen nehmen, die nur mit Allradantrieb befahren werden können.

Nachdem wir in einem der Museen einen Film über einen Vulkanausbruch gesehen hatten, bei dem die Brücken von Gletscherabflüssen mit Felsen und Eisbergen zerstört worden waren, witzelten wir auf unseren Fahrten, dass wir, wenn jetzt so etwas passieren würde, bis zu unserem Hotel wieder ganz um die Insel herumfahren müssten.

Wenn wir auf Urlauber trafen, haben wir sie manchmal beneidet, denn sie konnten sich nach einer Besichtigung gemütlich in ein Café setzen, während wir uns noch nach Informationen umsahen und dann weiterfuhren. Insgesamt waren wir auf Island fast 3.000 Kilometer unterwegs. Dazu kam die An- und Rückfahrt zur Fähre mit noch einmal zusammen 2.600 Kilometern. Es hat sich aber jeder einzelne Kilometer gelohnt. Bis zum letzten Augenblick zeigte uns Island, was es alles zu bieten hat. Am letzten Tag auf der Insel war es ein prächtiger Regenbogen, der sich weit unter uns in einem Tal spannte, und die Fahrt zur Fähre ging durch tief hängende Wolken und damit durch einen Nebel, in dem die Straße nur noch ein paar Meter weit zu erkennen war.

Noch mal zum Fußball. An unserem zweiten Abend auf der Fähre spielte Island gegen Frankreich. Als Elmar das Ergebnis sah, meinte er, solange wir auf der Insel waren, hätten die Isländer gewonnen, doch nun, da wir sie verlassen haben, verlieren sie.

Wir haben jedenfalls nichts verloren und freuen uns darauf, den Roman, der auf dieser Reise entstanden ist, so bald wie möglich umzusetzen.

Iny und Elmar Lorentz