Reisen & Recherchen

Auf Recherche im Morgenland

Als wir vor etwa anderthalb Jahren eine Stippvisite durch mehrere arabische Länder machten, um den passenden Schauplatz für einen geplanten Roman zu suchen, schälte sich Jordanien als das Land heraus, das wir uns näher ansehen wollten.

Im April war es dann so weit. Wir hatten uns eine ambitionierte Reiseroute zusammengestellt und brachen mit großen Erwartungen auf. Die Anreise war etwas umständlich, da wir zuerst nach Frankfurt fliegen und dort das Flugzeug nach Amman besteigen mussten. Außerdem war es ein Nachtflug, bei dem wir erst weit nach Mitternacht in Amman landeten. Der Transfer ins Hotel war jedoch gut geplant, so dass wir noch einige Stunden Schlaf bekamen, bevor es zur Mittagszeit auf die erste Tour ging. Unser Ziel waren mehrere Festungen und Karawansereien in der Wüste, die wir uns im Vorfeld als mögliche Schauplätze ausgesucht hatten. Um viel und intensiv zu sehen und zu erleben, hatten wir ein eigenes Auto mit Fahrer gebucht. Außerdem erhielten wir unseren persönlichen Reiseleiter, der sowohl der deutschen Sprache, wie auch der Geschichte seines Landes mächtig sein sollte – und es auch war.

In den nächsten Tagen gab es nicht nur einiges zu sehen. Wir erhielten auch einen historischen Abriss über Jordanien, Israel und die angrenzenden Gebiete. Ohne eine intensive Vorbereitung hätten uns bei all den Ammonitern, Edomitern, Amurritern, Jebusitern, Midianitern, Moabitern, Hebräern, Aramäern, Idumäern, Kanaanitern, Philistern und wie sie alle hießen, schon bald die Köpfe geraucht.

Ein Muss für uns waren die Ruinen von Gerasa im heutigen Jerash, Rabat Ammon (das heutige Amman) sowie die Festung Ajlun im Norden. Auch der Berg Nebo, von dem Moses einen Blick ins Gelobte Land tun konnte, bevor er starb, durfte nicht fehlen. Das Gebiet muss damals weitaus fruchtbarer gewesen sein, wenn es ihm gefallen hat. In der über den Resten einer früheren Klosterkirche errichteten Kirche am Berg Nebo haben mit Johannes Paul II. und Benedikt XVI. bereits zwei Päpste gepredigt. Wir predigten nicht, sondern hörten zu, als unser Guide Mohammed über das Christentum dort von den frühen Anfängen an bis in die heutige Zeit berichtete.

Unsere Reise war in vier Teile aufgegliedert. Daher hieß es nach einigen Tagen, von Mohammed Abschied zu nehmen. Unser nächster Weg führte uns nämlich nach Israel. Für diesen wie auch für den dritten Teil der Reise waren uns andere Reiseleiter zugeteilt worden. Wir waren ein wenig traurig darüber, dann wir waren mit Mohammed ausgezeichnet zurechtgekommen und hatten viel von ihm erfahren. Er versprach uns aber hoch und heilig, dass sein Nachfolger in Jordanien genauso gut wäre wie er. Bevor wir diesen jedoch kennenlernen konnten, wurden wir zur King Hussein Brücke geschafft und sahen uns mit Grenzkontrollen konfrontiert, wie wir sie in unseren Landen schon seit vielen Jahren nicht mehr gewohnt sind.

Nach etwas mehr als zwei Stunden waren wir schließlich in Israel und wurden von Ehud, unserem dortigen Reiseleiter, empfangen. Als Erstes gab es ein Gespräch über das, was wir uns von diesem Aufenthalt erwarteten, und entsprechend wurde das Programm gestaltet. Da es in der Nähe lag, ging es als Erstes an die Stelle, an der Johannes der Täufer Jesus getauft hatte. Der Jordan war seitdem nicht nur auf ein Viertel seiner einstigen Breite geschrumpft, sondern hatte sich auch um mehrere hundert Meter verlagert, so dass die eigentliche Taufstelle in Jordanien lag. Im dritten Teil der Reise konnten wir auch sie aufsuchen.

Unser Quartier war Jerusalem. Von dort aus führten wir unsere Touren durch. Jericho zählte dazu, Bethlehem sowie einige Landstriche, die für uns von Bedeutung waren. Eines der Hauptziele war die Festung Masada, die bei dem großen Aufstand in Judäa anno 66 – 73/74 n. Chr. von den römischen Truppen erst nach langer und harter Belagerung eingenommen werden konnte. Bevor wir losfuhren, telefonierte Ehud mit dem dortigen Informationszentrum, denn für die Gegend waren Unwetter vorhergesagt worden, so dass die Gefahr bestand, die Zufahrtsstraße nach Masada könnte wegen Überflutung gesperrt sein. Sie war es nicht und brachen wir auf.

Es wurde eine interessante und intensive Besichtigung, obwohl Masada für unsere Pläne keine besondere Rolle spielt. Es ist jedoch einer der besonderen Orte, die einen zwingen, sich genauer damit zu beschäftigen.

Im Laufe des Nachmittags blickte Ehud besorgt zum Himmel, der sich immer dunkler färbte. Trotzdem schafften wir es, unser Besichtigungsprogramm durchzuführen. Dann aber hieß es, sich zu beeilen. Als wir die Seilbahn ins Tal hinab fuhren, spürten wir bereits die ersten Böen. Kaum saßen wir im Auto, wirkte das ganze Land wie in Nebel gehüllt. Ein Sandsturm hob an und für etliche Kilometer hatte unser Fahrer damit zu kämpfen, überhaupt die Straße zu erkennen. Dann endlich blieb der Sturm hinter uns zurück.

Wieder in Jerusalem 'genossen' wir den wundersamen Stau, der einem die Staus in und um München beinahe paradiesisch erscheinen lässt. Ehud wusste einige Schleichwege, die leider auch etliche andere Fahrer kannten, so dass wir froh waren, endlich beim Hotel anzukommen.

Salzablagerung im Toten Meer
 

Es folgten weitere Ausflüge, so zum Ölberg, dem darunter liegenden Gethsemane, dem Kidron-Tal usw. Der letzte Tag in Israel war schließlich der Altstadt von Jerusalem vorbehalten. Noch einmal kurz zu dem Sturm, dem wir bei Masada entkommen waren: Am nächsten Tag erfuhren wir von Ehud, dass durch ihn mehrere Menschen ums Leben gekommen wären und die Straße nach Masada vorerst gesperrt wäre.

An diesem Tag zeigte es sich, wie wichtig es für uns war, einen persönlichen Reiseleiter zu bekommen. Wir waren auf niemand anderen angewiesen und konnten das besichtigen, was für uns wichtig war und wir darüber hinaus noch ansehen wollten. Unsere Tour begann am Jaffator, das schon bald in einem unserer Romane eine Rolle spielen wird, und ging dann kreuz und quer durch die Gassen, durch die einst schon die Pilger und Kreuzfahrer und früher die Jünger Jesu gegangen waren. Wir besuchten mehrere Museen und Ausgrabungen aus der Zeit Herodes des Großen und Herodes Antipas, sowie späterer Zeiten, machten eine Stippvisite zur Mauer des Tempels des Herodes (Klagemauer), wechselten dann in den arabischen Teil der Stadt über und folgten teilweise der Via Dolorosa, die uns dann zu unserem Hauptziel in Jerusalem, der Grabeskirche führte.

Am späten Nachmittag klatschten mehrere kurze Regenfälle hintereinander auf die Stadt nieder. Wir ließen uns aber nicht verdrießen, sondern zogen unser Programm durch und kamen gerade rechtzeitig vor dem größten Unwetter in unser Hotel. Kaum waren wir im Zimmer, begann ein Wolkenbruch mit einem Graupelschauer, der das Fenster zum Klirren brachte. Wir waren froh, unsere Recherche in Israel plangerecht abgeschlossen zu haben. Ob wir es am nächsten Tag geschafft hätten, bezweifelten wir.

Damit war der zweite Teil der Reise zu Ende und die Rückkehr nach Jordanien stand an. Diese hatte es in sich. Nur so viel sei gesagt, die Infrastruktur des Grenzübergangs hielt nicht mit der Zahl der Reisenden mit, die ihn passieren wollten. Als wir nach sieben Stunden Reisezeit endlich unser nächstes Hotel erreichten, begriffen wir, weshalb man uns für diesen Tag keine Besichtigungen vorgeschlagen hatte. Wir waren durch die Hitze und das stundenlange Stehen in den Abfertigungshallen völlig fertig.

Die nächsten Tage waren etwas harmloser. Wir lernten Mohammed II. kennen, unseren neuen Reiseleiter für Jordanien. Wie von Mohamed I. angekündigt war er tatsächlich so gut wie erhofft. Zunächst besichtigen wir die Taufstelle Jesu auf der jordanischen Seite, sahen uns die Küste des Toten Meeres an, ebenso Madaba mit seinen über alten Resten errichteten Kirchen und krochen durch niedrige, noch aus den frühen Tagen des Christentums stammende Keller und Gänge.

Die nächsten Ziele lagen auf dem Weg nach Kerak und in der alten Festung der Moabiter (Crac de Moabites), wie die Kreuzfahrerburg in ihren frühen Tagen genannt wurde. Anschließend ging es durch eine faszinierende und abwechslungsreiche Landschaft nach Dana, dem größten Naturreservat in Jordanien. Es handelte sich dabei um ein Ziel, das wir uns nicht selbst ausgesucht hatten, sondern das an uns herangetragen worden war. Die Aussicht war jedenfalls atemberaubend. Wir sahen durch das Wadi Dana in das tieferliegende Wadi Arabah hinein und weiter bis in die Negev-Wüste.

In Dana stand für uns eine Wanderung an. Durch den scharfen Wind, der von den Höhen herab blies und den Aufstieg auf den steilen Straßen zur Qual machte, waren wir bald völlig fertig. Iny meinte am Ende der Reise, dass sie sich für eine alte Frau doch gut gehalten hätte. Es erwischte auch nicht sie, sondern Elmar, der noch einige Extratouren gemacht hatte, um bessere Kamerastellungen zu finden. Zunächst ging es ihm noch halbwegs, doch als wir am späten Nachmittag in einem Restaurant saßen, klappte er zusammen, wurde kreideweiß und klagte über Seestörungen. Iny befürchtete schon, dass sie ihn ins Krankenhaus bringen müsste. Die Besichtigungen am nächsten Tag strich sie schon in Gedanken. Zum Glück erholte Elmar sich nach einigen Schlucken Wasser nach einer Viertelstunde wieder und konnte auch wieder sehen. Am nächsten Morgen war er fit genug, um weitermachen zu können.

Wir fuhren auf der Königsstraße, die dem alten Karawanenweg von Aqaba nach Damaskus folgte, zur Ruine der Kreuzfahrerfestung Montreal, heute Shawbak genannt, bis nach Klein Petra, das ein Dutzend Kilometer nördlich des eigentlichen Petra liegt. War Klein Petra bereits ein faszinierendes Erlebnis, stand uns am nächsten Tag mit Petra der wohl größte Höhepunkt unserer an Höhepunkten nicht gerade armen Reise bevor. Den ersten Tag verließen wir uns bis auf ein kleines Stück, das wir per Esel zurücklegten, auf unsere eigenen Beine. Durch die Hitze wurde es arg schweißtreibend und wir waren froh, die Felsenstadt nur mit dem Führer besuchen zu können und keiner Gruppe folgen zu müssen.

Die 7 Säulen der Weisheit v.L.von Arabien
 

Am zweiten Tag benutzten wir für die Strecken, die wir bereits kannten, einen Pferdewagen und schließlich Kamele, und legten nur die neue Besichtigungsstrecke zu Fuß zurück. Die aber hatte es in sich. Da gab es zum einen zweihundert Stufen zu bewältigen, die Iny vor große Probleme stellten, ebenso wie der weitere, teilweise sehr schlechte Weg. Es lohnte sich aber, denn wir sahen vieles und konnten das meiste auch lange genug besichtigen, während etliche Gruppen vom 'vite vite' ihrer Guides getrieben an uns vorbei gepeitscht wurden. Das 'vite vite' ist ein alter Scherz von uns, seit wir beim Besuch des Dolmabahçe-Palastes in Istanbul einige französische Besuchergruppen erlebt haben, denen ihre Reiseleiter nicht einmal genug Zeit zum Fotografieren gelassen hatten.

Wir hatten in Petra genug Zeit. Mohammed II. sagte, er hätte sich schon gewundert, weshalb wir zwei Tage dafür eingeplant hätten. Die meisten Reisenden, die er führte, würden es bei einem Tag belassen. Er genoss es aber, uns dieses Weltwunder ausführlich zeigen und beschreiben zu können. Eine Stelle sparten wir in Petra jedoch aus. Die 792 Stufen, die zum sogenannten 'Kloster' hoch führten, waren für Inys kaputtes Bein unüberwindbar. Die 200 bei den Königsgräbern bereiteten ihr bereits genug Probleme.

Zum Glück ging die Reise dann etwas weniger anstrengend weiter. Unser nächstes Ziel war das Wadi Rum, das wegen seines roten Sandes bereits mehrmals als Schauplatz für Science Fiction-Filme verwendet worden war, die auf dem Mars spielen. Dort gibt es im Allgemeinen vom Besucherzentrum aus kurze Autotrips zu einigen nahegelegenen Stellen. Dort waren wir aber bereits vor anderthalb Jahren gewesen und hatten deshalb eine andere Tour geplant, die weiter in die Wüste hinein führte. Hier erwies Iny sich erneut als Gämse, indem sie vierfüßig (mit Füßen und Krücken) in die Schluchten hineinkletterte, um sich alte, nabatäische Inschriften anzusehen.

Gegen Abend endete dann dieser dritte und längste Teil unserer Recherchereise in Aqaba. Hier hieß es, von Mohammed II. Abschied zu nehmen, und auch von Mohammed, unserem Chauffeur. Vor uns lagen ein paar ruhige Tage, die wir eingeplant hatten, um das gesammelte Material zu sichten und ohne Störungen von außen über den geplanten Roman sprechen zu können. Herausgekommen sind ein achtzehnseitiges Exposé, das Elmar handschriftlich zu Papier brachte, anderthalb Seiten Ergänzungen für einen anderen Roman, sowie ein dreiseitenlanges Konzept für einen dritten Roman.

Man kann sagen, wir waren sehr kreativ. Das war aber auch der Chauffeur, der uns am letzten Abend um 19:30 Uhr abholte und 320 km weit bis zum Flughafen nach Amman fuhr. Elmar meinte schließlich, für die Fahrt wären 1000 Punkte in Flensburg fällig gewesen. Schwamm drüber, wir haben es überstanden. Um 03:05 Uhr startete die Maschine nach Frankfurt und kurz vor 12:00 Uhr Mittag waren wir zuhause. Geblieben sind die Erinnerung an unwahrscheinlich schöne und interessante Eindrücke und Erlebnisse, freundliche und hilfsbereite Menschen und die Vorfreude auf einen Roman, den wir zwar bald angehen werden, der aber für unsere Leser noch ein paar Jahre auf sich warten lassen wird.

Iny und Elmar Lorentz